Bundestag beschließt Reform des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG)

Am 16.05.2013 hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung der Rechtsanwaltsvergütung verabschiedet und dadurch die Voraussetzungen einer maßvollen Erhöhung der Vergütung für anwaltliche Dienstleistungen geschaffen.

Wie der Deutsche Anwaltsverein in seiner Pressemitteilung vom 17.05.2013 mitteilte, sehe die geplante Neuregelung „eine moderate Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung an die allgemeine Preissteigerung vor“. Sowohl die Bundesrechtsanwaltskammer als auch der Deutsche Anwaltsverein begrüßen die Reform.

Sollte auch der Bundesrat das vom Bundestag beschlossene Änderungsgesetz absegnen, erwarten den Rechtssuchenden ab dem 1. Juli 2013 höhere Anwaltskosten – die Rede ist von einer Steigerung der Wertgebühren um 12 Prozent.

Von einer Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts sah der Gesetzgeber hingegen ab. So war unter anderem geplant gewesen, in Fällen einvernehmlicher Scheidungsverfahren dem Prozesskostenhilfeantragsteller die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu versagen. Kompensiert werden soll dieser Verzicht auf eine Einschränkung der Prozesskostenhilfe jedoch durch eine Anhebung der Gerichtsgebühren.

Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet: Wenn man Recht hat, dieses aber nicht durchsetzen kann.

Erst am vergangenen Wochenende nahm ich an einer juristischen Fortbildung zum Thema IT-Recht teil. Vorgestellt wurden im Rahmen dieses Seminars nicht nur technische Möglichkeiten zum Schutz von Mandantendaten, sondern auch aktuelle Entwicklungen im Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR). Im Zeitalter des Internets können die Persönlichkeitsrechte eines Menschen vielfältigen Eingriffen durch Dritte ausgesetzt sein, gegen die sich der Betroffene häufig nur eingeschränkt zur Wehr setzen kann. Ein erfolgreiches Vorgehen gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen setzt nicht zuletzt einen greifbaren Anspruchsgegner voraus.

Internetseiten, über die beleidigende oder gar verleumderische Aussagen über eine Person verbreitet werden, befinden sich jedoch nicht selten auf ausländischen Servern, weshalb der Betreiber des diffamierenden Internetauftritts keiner dem deutschen Recht (vgl. § 5 TMG) vergleichbaren Impressumspflicht unterliegt und deshalb nicht ohne Weiteres für die von ihm zu verantwortenden Inhalte haftbar gemacht werden kann. Zwar ist es auch in diesen Fällen theoretisch möglich, gegen den (vermeintlich) im Ausland sitzenden Betreiber der Internetseite einen Titel zu erwirken – die Zwangsvollstreckung aus diesem wird jedoch vor kaum überwindbare Hürden gestellt. In der Regel bleiben die Kläger auf den von ihnen verauslagten Anwalts- und Gerichtskosten sitzen. Dieses Kostenrisiko schreckt viele Betroffene davon ab, gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet vorzugehen.

Oftmals finden sich Beiträge mit persönlichkeitsrechtsverletzenden – und zum Teil sogar strafbaren – Inhalten auf Internetseiten (z.B. Bewertungsportale), deren Impressum einen deutschen Betreiber ausweist. Gerade in diesen Konstellationen sind die Person des Autors eines diffamierenden Beitrags und der Betreiber der Internetseite, auf welcher der Beitrag veröffentlicht wird, nicht immer identisch. Die Hoffung auf einen kooperativen Betreiber, der die Daten des Autors eines beleidigenden oder verleumderischen Beitrags freiwillig herausgibt, bleibt nicht selten unerfüllt.

Vor dem Hintergrund der zahlreichen Verfahren, die wegen gravierender Persönlichkeitsrechtsverletzungen im WWW erfolglos gegen anonyme „Internethelden“ geführt werden, muss ein vor wenigen Tagen gefasster Beschluss des Landgerichts Duisburg mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis genommen werden: Das Gericht ordnete eine fünftägige Beugehaft gegen einen Online-Redakteur an, der sich beharrlich weigerte, gegenüber der Staatsanwaltschaft die Identität eines Internetnutzers preiszugeben, der auf einem Krankenhaus-Bewertungsportal, für welches der Online-Redakteur tätig ist, über eine Ärztin behauptet hatte, diese hätte ein sexuelles Interesse an ihren Patienten. Das LG Duisburg befand, dass sich der Online-Redakteur aufgrund fehlender redaktioneller Kontrolle der Beiträge nicht auf das Aussageverweigerungsrecht für Journalisten berufen könne. Der Redakteur kündigte daraufhin Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts an. Man darf gespannt sein, wie das Bundesverfassungsgericht den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und das staatliche Strafverfolgungsinteresse gegenüber dem Recht auf Pressefreiheit bewerten wird.

Auf freiem Fuß trotz eines Haftbefehls

Spätestens seit dem Bekanntwerden des Haftbefehls, der vor wenigen Wochen gegen den Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Bayern München Ulrich „Uli“ Hoeneß erlassen wurde, weiß die interessierte Öffentlichkeit, dass die Anordnung von Untersuchungshaft nicht zwangsläufig mit Freiheitsentzug einhergeht. So berichtete die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 23.04.2013, dass der gegen Hoeneß erlassene Haftbefehl nach einer vorläufigen Festnahme gegen Auflagen wieder außer Vollzug gesetzt worden sei.

Die Anordnung von Untersuchungshaft hat keinen Sanktionscharakter, sondern dient der Sicherstellung des Strafverfahrens.  Ihre Voraussetzungen werden von den §§ 112 ff. StPO geregelt. Demnach darf gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn dieser einer Straftat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht (§ 112 Abs. 1 S. 1 StPO). Außerdem darf die Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht außer Verhältnis stehen (§ 112 Abs. 1 S. 2 StPO).

Als Haftgründe nach § 112 Abs. 2 StPO anerkannt sind neben der Feststellung, dass sich der Beschuldigte auf der Flucht befindet oder im Verborgenen hält, die Fluchtgefahr und die Verdunkelungsgefahr (z.B. Einwirkung auf Zeugen). Insbesondere der Haftgrund der Fluchtgefahr wird regelmäßig dann angenommen, wenn der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen hätte und somit ein Anreiz besteht, sich dieser Haftstrafe durch Flucht zu entziehen. Ist der Beschuldigte besonders schwerer Straftaten (z.B. Mord und Totschlag) dringend tatverdächtig, so kann die Untersuchungshaft sogar dann angeordnet werden, wenn kein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO besteht (vgl. § 112 Abs. 3 StPO).

Die Strafprozessordnung verleiht dem Richter nach § 116 StPO die Möglichkeit, die angeordnete Untersuchungshaft in den Fällen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr außer Vollzug zu setzen.  Ist der Haftbefehl lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt und können weniger einschneidende Maßnahmen den Zweck der Untersuchungshaft – also die Sicherstellung des Strafverfahrens – ebenso gut erfüllen, so kann der Richter den Beschuldigten unter bestimmten Bedingungen wieder aus der Haft entlassen. Als weniger einschneidende Maßnahmen kommen vor allem Meldeauflagen und die Hinterlegung einer Kaution in Betracht. Nämliches gilt für den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr: In dieser Konstellation kann der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden, indem das Gericht dem Beschuldigten beispielsweise ein Kontaktverbot gegenüber Zeugen oder anderen Beschuldigten auferlegt.

Obwohl das Gericht eigentlich gehalten ist, in jeder Phase des Strafverfahrens das Vorliegen der Haftgründe und die Möglichkeit einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls von Amts wegen zu prüfen, ist eine unverhältnismäßige Untersuchungshaft ebenso wenig ausgeschlossen wie der Erlass eines Haftbefehls ohne das Bestehen eines dringenden Tatverdachts. Es gehört zu den Pflichten eines Strafverteidigers, mithilfe der Instrumente der Haftbeschwerde und des Haftprüfungsantrags dem Gericht manchmal auf den Zahn zu fühlen.

„Schnäppchengeschäfte“ bei Auktionsplattformen im Internet grundsätzlich nicht sittenwidrig

Wer auf Auktionsplattformen wie Ebay Artikel versteigert, erzielt ohne Festlegung eines Mindestgebots nicht immer den marktüblichen Preis dafür. Solche Verkäufe unter Wert sind des Käufers Freud und des Verkäufers Leid. Letztere zeigen sich häufig verärgert und glauben in dem „Schnäppchengeschäft“ ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu erkennen. Dieses Missverhältnis führe aus Sicht der Verkäufer zur Sittenwidrigkeit des Geschäfts –  zwischen Bieter und Höchstbietendem soll deshalb auch kein Kaufvertrag zustande kommen. Mit dieser Begründung verweigern die sich geprellt fühlenden Verkäufer anschließend die Lieferung der Ware. Obwohl dieser Rechtsansicht in der Vergangenheit bereits mehrere Gerichte eine deutliche Absage erteilt haben, scheuen sich viele Käufer davor, auf ihrem Recht zu bestehen.

Die Gerichte urteilten, dass dem Käufer ein Anspruch auf Erfüllung des geschlossenen Kaufvertrags zusteht. So befand beispielsweise das Landgericht Detmold in seinem Urteil vom 22.02.2012 – Az. 10 S 163/11: „Für die Annahme der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes reicht nämlich allein das Bestehen eines besonders krassen Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung nicht aus. Hinzu treten müssen weitere sittenwidrige Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten des Klägers, der als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat.“

In eine ähnliche Kerbe stieß bereits das Oberlandesgericht Köln – Az. 19 U 109/06 – einige Jahre zuvor. Das Gericht bejahte seinerzeit das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrages über einen Rübenroder zum Preis von 51 Euro (Verkehrswert: 60.000 Euro).

„Zwar besteht bei einem – wie hier – besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, die in der Regel eine weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen entbehrlich macht (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 34 a m.w. Nachw.).“ Nach Auffassung des Oberlandesgerichts gelte diese Vermutung allerdings nicht uneingeschränkt. Zu berücksichtigen seien vielmehr die Umstände des Einzelfalles. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Köln vom 12.11.2004 (Az. 1 O 307/04)  führte das OLG Köln aus, die Teilnehmer von Internet-Auktionen seien sich regelmäßig bewusst, dass die Ermittlung der Höhe der Gegenleistung von anderen Faktoren als allein dem üblichen Marktwert eines Artikels abhängt. Sowohl die Erwartung des Verkäufers, durch geschicktes Einstellen eines Artikels ein möglicherweise besonders gutes Geschäft zu machen, als auch die gegenläufige Vorstellung des Bieters, im richtigen Moment zu einem besonders günstigen „Schnäppchen“ zu kommen, gehören zum Wesen einer derartigen Vertragsanbahnung. Diesem Wesen würde es jedoch widersprechen, wenn Artikelverkäufe auf einer solchen Verkaufsplattform nur bei Erzielung eines „angemessenen“ Preises verbindlich sein sollen.

Aus Käufersicht gibt es deshalb keinen vernünftigen Grund, auf das gekaufte „Schnäppchen“ ohne Weiteres zu verzichten.

Berechnung der Sperrfrist bei Fahrerlaubnisentzug

Macht sich eine Person wegen eines Straßenverkehrsdelikts (z.B. Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB) strafbar, so erwartet sie neben dem Entzug der Fahrerlaubnis regelmäßig ein sog. Strafbefehl. Strafbefehle erlassen Gerichte im Bereich der Bagatellstraftaten, bei denen sich die Sach- und Rechtslage einfach gestaltet. Der wegen eines Straßenverkehrsdelikts gegen einen Delinquenten erlassene Strafbefehl verhängt zudem eine Sperrfrist, die von der Führerscheinbehörde bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu beachten ist.  Bis zum Ablauf dieser Sperrfrist darf die Führerscheinbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen. Gemäß § 69a Abs. 1 StGB beträgt die Sperrfrist mindestens sechs Monate. Häufig wird jedoch bereits vor der Gerichtsverhandlung oder der Zustellung des Strafbefehls der Führerschein durch die Polizei vorläufig beschlagnahmt bzw. sichergestellt und dem Betroffenen zugleich die Fahrerlaubnis, also das Recht, ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen zu dürfen, vorläufig entzogen (§ 111a Abs. 1 StPO).

Das Gericht hat bei Festsetzung der Sperrfrist im Urteil oder Strafbefehl die Dauer dieser vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung zu berücksichtigen. Dementsprechend ordnet § 69a Abs. 4 StGB an, dass sich im Falle vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) das Mindestmaß der Sperre um die Zeit verkürzt, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Allerdings darf die Sperrfrist drei Monate nicht unterschreiten.

Ist ein Führerschein beispielsweise schon seit 4 Monate beschlagnahmt bis die Gerichtsverhandlung stattfindet bzw. der Strafbefehl erlassen wird und sieht der Richter eine Sperrfrist von 8 Monaten als angemessen an, so wird er nur noch eine Sperrfrist von 4 Monaten verhängen.

Der Lauf der Sperrfrist beginnt mit der Rechtskraft des Urteils bzw. Strafbefehls.

Wird gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt, kommt es grundsätzlich zu einer Hauptverhandlung. Der rechtskräftige Abschluss des Strafverfahrens und mithin der Beginn der Sperrfrist werden dadurch verzögert. Wegen des § 69a Abs. 4 StGB hat dies jedoch in der Regel keinen Einfluss auf die Gesamtdauer des Fahrerlaubnisentzugs.

Nämliches gilt für den Fall der Berufung: Auch das Berufungsgericht setzt die Sperrfrist in seinem Urteil neu fest und berücksichtigt auf diesem Wege die Dauer der vorläufigen Entziehung. Wird die Berufung gegen ein Amtsgerichtsurteil zurückgenommen, so ist wiederum der Tag des Urteils des Amtsgerichts für den Beginn der Sperrfrist maßgeblich.

Der Antrag auf Neuerteilung sollte aufgrund der Bearbeitungsdauer bereits 3 Monate vor dem Ablauf der Sperrfrist bei der Führerscheinstelle gestellt werden.

Keine Einschränkung der Barunterhaltspflicht während des Umgangs in der Ferienzeit

In Bayern, Baden-Württemberg und einigen anderen Bundesländern finden derzeit die Osterferien statt. Viele Kinder im schulpflichtigen Alter aus Trennungsfamilien verbringen diese Zeit bei demjenigen Elternteil, der seine Unterhaltspflicht ansonsten durch Geldleistungen erfüllt. Dieser Barunterhalt leistende Elternteil zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind von ihm außerhalb vereinbarter Umgangstermine nicht betreut wird. Der andere Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt pflegt, deckt den Bedarf des Kindes durch die Erbringung sog. Betreuungsleistungen (Naturalunterhalt). Natural- und Barunterhalt sind als gleichwertig anzusehen.

Während der Ferienzeit, in der das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt vorübergehend zum Barunterhalt leistenden Elternteil verlagert, findet keine Betreuung durch den anderen Elternteil statt. Dieser Umstand gibt so manchem Barunterhaltspflichtigen Anlass zu der Frage, ob eine Kürzung des Zahlbetrags, den er im Ferienmonat zu Händen des betreuenden Elternteils zu leisten hat, in Betracht kommt. Die Rechtsprechung hat diese Frage im Ergebnis jedoch verneint: Solange ein deutliches Schwergewicht der Betreuung bei dem betreuenden Elternteil liegt und dieser die Hauptverantwortung für das Kind trägt, bleibt es trotz des Ferienumgangs bei der Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils, dessen Einkommen den Bedarf des Kindes bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 21. 12. 2005, Az. XII ZR 126/03 (OLG Stuttgart)).

Der Bundesgerichtshof bekräftigte diese Entscheidung in seinem Urteil vom 28.02.2007 – Az. XII ZR 161/04: An der „aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt ändert sich nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich einer Mitbetreuung annähert.“

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz dürfte sich nur in den Fällen ergeben, in denen die Eltern ein sog. Wechselmodell praktizieren, das Kind sich also zu gleichen Zeitanteilen bei dem einen und dem anderen Elternteil aufhält (meistens erfolgt der Wechsel im Wochenturnus). In dieser Betreuungskonstellation sind Betreuungs- und Barunterhalt nicht mehr gleichwertig, weshalb beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalleistungen zum Barunterhalt für das Kind heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. 12. 2005, Az. XII ZR 126/03 (OLG Stuttgart)).

Bundesgerichtshof begrenzt Einwilligungsmöglichkeit in Körperverletzungshandlungen

Dass nicht jede Körperverletzung strafbar ist, dürfte selbst Laien auf dem Gebiet des Strafrechts bekannt sein. Ansonsten wäre sogar der Boxsport unter Strafe gestellt und  Veranstalter und Teilnehmer eines Boxkampfes müssten ständig mit der Räumung der Boxarena durch die Polizei rechnen. Glücklicherweise kann der Boxsport ohne die Gefahr strafrechtlicher Sanktionen betrieben werden, weil nach dem StGB nur solche Taten zu bestrafen sind, die rechtswidrig und schuldhaft begangen werden.

Wer an einem Boxkampf teilnimmt, willigt in die Faustschläge seines Kontrahenten ein. Etwaige Körperverletzungen des einen Boxkämpfers sind aufgrund der erteilten Einwilligung des anderen Boxkämpfers nicht rechtswidrig. Von ihrem Leben abgesehen, das einem besonderen Schutz des Strafgesetzbuchs untersteht (vgl. § 216 StGB), kann eine Person über ihre Rechtsgüter (z.B. Sacheigentum, persönliche Ehre, Körper, Gesundheit) grundsätzlich frei disponieren. In Bezug auf Körperverletzungen ist jedoch § 228 StGB zu beachten. Demgemäß handelt derjenige, der eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.

Der Bundesgerichtshof zeigte mit seinem Beschluss vom 20.02.2013 – 1 StR 585/12 zwei rivalisierenden Jugendgangs, die sich zu einer tätlichen Auseinandersetzung verabredet hatten, die Grenzen dieser Vorschrift  auf.

Nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs verstößt die Einwilligung in eine Körperverletzung jedenfalls dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 228 StGB, wenn bei objektiver Betrachtung unter Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände die einwilligende Person durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird. „Findet die Tat unter Bedingungen statt, die den Grad der aus ihr hervorgehenden Gefährlichkeit für die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben des Verletzten begrenzen, führt dies regelmäßig dazu, die Körperverletzung als durch die erklärte Einwilligung gerechtfertigt anzunehmen“, befand das Gericht.

Hinsichtlich der zu beurteilenden tätlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Jugendgangs habe es an risikobegrenzenden Regeln und Instrumentarien zur Gewährleistung ihrer Einhaltung gefehlt, wie man diese bei einem sportlichen Wettkampf wohl vorfinden dürfte. Der Bundesgerichtshof betonte in diesem Zusammenhang auch die Unkontrollierbarkeit gruppendynamischer Prozesse. Da eine Einwilligung in die im Rahmen einer solchen Auseinandersetzung begangenen Körperverletzungen gegen die guten Sitten verstoße, war die Strafbarkeit der Taten aus Sicht des Gerichts zu bejahen.

Obgleich der Bundesgerichtshof nicht abschließend dazu Stellung nahm, könnte sich die Einwilligung in körperliche Auseinandersetzungen mit mehreren Personen trotz vorher getroffener Absprachen per se als sittenwidrig erweisen. So heißt es in dem Beschluss wörtlich: „Ob bei wechselseitigen Körperverletzungen zwischen rivalisierenden Gruppen bei vorhandenen Absprachen und Sicherungen zur Beschränkung des Gefährlichkeits- bzw. Gefährdungsgrades ein Verstoß der Taten gegen die guten Sitten nicht vorliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Er neigt aber wegen der abstrakt-generellen Eskalationsgefahr in derartigen Situationen dazu, die Frage zu verneinen, wenn und soweit eine Einhaltung des Verabredeten nicht ausreichend sicher gewährleistet werden kann.“

Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf tätliche Auseinandersetzungen rivalisierender Jugendgangs oder Fußballfans (Stichwort „Dritte Halbzeit“) beschränken wird auch sonstige „gruppendynamische Prozesse“ (z.B. Paintballturniere) davon erfasst werden.

Bundesverfassungsgericht billigt „Deals“ in Strafprozessen

Erwartungsgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in seinem heute verkündeten Urteil (Az. 2 BvR 2628/10 u.a.), das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2012 erging, Absprachen in Strafprozessen grundsätzlich gebilligt.

In der Praxis nicht unüblich sind Geständnisse von Angeklagten, denen im Gegenzug ein „Strafrabatt“ für den Fall ihrer Verurteilung in Aussicht gestellt wird. Nicht zur Disposition der von den Verfahrensbeteiligten getroffenen Absprachen steht allerdings der Schuldspruch als solcher: Hat sich ein Angeklagter wegen einer in der Anklageschrift genannten Tat strafbar gemacht und kann ihm diese zweifelsfrei nachgewiesen werden, so ist er deswegen auch zu verurteilen. Verhandelt werden darf demnach nicht über das „Ob“ einer Strafe, sondern nur über deren Höhe.

Das Bundesverfassungsgericht begründete die grundsätzliche Zulässigkeit von Absprachen bzw. Deals mit der Arbeitsüberlastung der Justiz.  Durch derartige Verständigungen können eine Beschleunigung und Verkürzung von Strafverfahren erreicht werden. Der Gesetzgeber hat bereits im Jahre 2009 durch Einführung des § 257c StPO die rechtlichen Voraussetzungen von „Deals“ in Strafprozessen gesetzlich geregelt.

Obwohl die Strafprozessordnung seitdem die Beachtung bestimmter Formvorschriften zur Wahrung der Transparenz einer Verständigung (z.B. Protokollierung) fordert, zeigte eine vom Bundesverfassungsgericht in Auftrag gegebene Studie, dass es in der Praxis in erheblichem Umfang zu rein informellen Absprachen kommt. Informelle Absprachen, die zum Teil noch vor Prozessbeginn geführt werden, seien aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts unzulässig und würden grundsätzlich einen Revisionsgrund darstellen.

Das Bundesverfassungsgericht ermahnte deshalb alle Verfahrensbeteiligten, bei einer Verständigung unbedingt auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu achten.

Amtsgericht Stuttgart spricht Polizeibeamten vom Tatvorwurf der Körperverletzung im Amt frei

Zu einem mittlerweile rechtskräftigen Freispruch kam es am 26.02.2013 zugunsten eines sechsundzwanzigjährigen Polizeibeamten, der im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Stuttgart von mir verteidigt wurde. Angeklagt war dieser wegen des Tatvorwurfs der Körperverletzung im Amt. Die Anklagebehörde hatte dem Beamten vorgeworfen, am 30.09.2010 während eines Polizeieinsatzes einen gegen das Großprojekt „Stuttgart 21“ demonstrierenden 34 Jahre alten Stuttgarter ohne rechtfertigenden Grund mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben.

Während mein Mandant im Rahmen der Hauptverhandlung glaubhaft versicherte, eine solche Tat nicht begangen zu haben, verwickelte sich der mutmaßliche Geschädigte, der als einziger Belastungszeuge vor Gericht auftrat, in zahlreiche Widersprüche, die seine Glaubwürdigkeit insgesamt in Frage stellten.

Obwohl die Staatsanwaltschaft Stuttgart für eine Verurteilung meines Mandanten zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen plädierte, folgte das Gericht der Argumentation der Verteidigung des Polizeibeamten und sprach den jungen Mann vom Tatvorwurf der Körperverletzung im Amt frei. Der Prozess stieß auf ein reges Medieninteresse. So widmete  diesem beispielsweise die Stuttgarter Zeitung einen ausführlichen Bericht, der noch auf http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-prozess-kein-fausthieb-beim-raeumen.0b41604c-f04c-4ca5-84e2-e0fc5daf1e54.html nachgelesen werden kann.

Wer trägt eigentlich meine Anwaltskosten?

Eine mir in Erstberatungen, die wegen zivilrechtlicher Auseinandersetzungen geführt werden, häufig gestellte Frage lautet: „Muss die Gegenseite eigentlich meine Anwaltskosten übernehmen?“. Auf derartige Fragen erwidert der Jurist trocken mit der für ihn typischen und zunächst einmal wenig aussagekräftigen Antwort: „Das kommt darauf an.“

Im Grundsatz gilt, dass im Rahmen außergerichtlicher Rechtsstreitigkeiten jede Partei ihre Anwaltskosten selbst zu tragen hat – es sei denn, der Schuldner eines Anspruchs befindet sich im Zeitpunkt der Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Gläubiger bereits in Verzug. In diesem Fall können die Anwaltskosten als sog. Verzugsschaden geltend gemacht werden. Ab welchem Zeitpunkt sich ein Schuldner in Verzug befindet, regelt das Gesetz in § 286 BGB.

Demgemäß tritt der Verzug ein, wenn ein Schuldner trotz Einredefreiheit des Anspruchs und erfolgter Mahnung nicht leistet.

Auf eine Mahnung des Schuldners durch den Gläubiger kann verzichtet werden, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB), der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt (§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB), der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 4). Ferner findet sich in § 286 Abs. 3 BGB für Entgeltforderungen eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Erforderlichkeit einer Mahnung: Demnach kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet. Verbraucher müssen auf diese Rechtsfolge in der Rechnung bzw. Zahlungsaufstellung jedoch explizit hingewiesen werden.

Gerade bei vertraglichen Ansprüchen (z.B. Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises) wird dem Schuldner in der Rechnung zwar regelmäßig eine angemessene Zeit zur Leistung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB) mitgeteilt, der Gläubiger ist jedoch oft außer Stande, den Zugangsnachweis hinsichtlich dieser Rechnung zu erbringen, weil er diese nur per einfachem Brief an den Schuldner verschickt hat. Im Konfliktfall bestreitet der Schuldner, die Rechnung mit der fristgerechten Leistungsaufforderung überhaupt erhalten zu haben. Folglich befindet sich der Schuldner noch nicht (nachweislich) in Verzug und der Gläubiger bleibt auf den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung sitzen.

Diesem Dilemma kann vorgebeugt werden, indem der Gläubiger von Anfang an darauf achtet, den Zugang einer Rechnung – oder Mahnung – im Falle des Bestreitens durch den Schuldner beweisen zu können. Hierzu wird von mir folgende Vorgehensweise empfohlen, die auch auf ökonomischen Überlegungen beruht: Die Rechnung bzw. erste schriftliche Leistungsaufforderung kann aus Gründen der Kostenersparnis unter Setzung einer angemessenen Frist per einfachem Brief (oder auch E-Mail) verschickt werden. Leistet ein Schuldner nicht, so ist nach Ablauf der gesetzten Frist ein Mahnschreiben zu versenden. Die Zahl der Mahnschreiben ist gesetzlich nicht vorgegeben und sollte davon abhängig gemacht werden, in welcher Beziehung Schuldner und Gläubiger zueinander stehen. Liegt eine dauerhafte Geschäftsbeziehung vor, ist es sinnvoll, sich nicht auf nur eine Mahnung bzw. Zahlungserinnerung zu beschränken, bevor man den Gang zum Anwalt wagt.

Grundsätzlich genügt jedoch eine einzige Mahnung zur Begründung des Verzugseintritts. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Mahnung neben einer unbedingten Leistungsaufforderung eine Frist vorzugeben hat. Mit dem (fruchtlosen) Ablauf dieser Frist kann ein Rechtsanwalt beauftragt werden, dessen Kosten wegen des Verzugseintritts vom Schuldner zu tragen sind. Um den Zugang der Mahnung beim Schuldner nachweisen zu können, empfiehlt es sich aus Gläubigersicht, die (letzte) Mahnung per Einschreiben mit Rückschein zu verschicken. Alternativ dazu kann die Mahnung auch dem Schuldner im Beisein eines Zeugens persönlich übergeben werden.

Abgesehen von dieser eher aus demVertragsrecht bekannten Konstellation gibt es zwei bedeutsame Situationen, in denen auch ohne vorherige schriftliche Leistungsaufforderung oder Mahnung guten Gewissens ein Rechtsanwalt aufgesucht werden kann: Einerseits für die Regulierung erlittener Schäden,  die  bei einem Straßenverkehrsunfall entstanden sind, den ein anderer Verkehrsteilnehmer alleine verursacht hat, und andererseits für Abmahnungen im Wettbewerbs- (§ 12 Abs. 1 UWG) oder Urheberrecht (§ 97a UrhG).