27. März 2013

Bundesgerichtshof begrenzt Einwilligungsmöglichkeit in Körperverletzungshandlungen

Dass nicht jede Körperverletzung strafbar ist, dürfte selbst Laien auf dem Gebiet des Strafrechts bekannt sein. Ansonsten wäre sogar der Boxsport unter Strafe gestellt und  Veranstalter und Teilnehmer eines Boxkampfes müssten ständig mit der Räumung der Boxarena durch die Polizei rechnen. Glücklicherweise kann der Boxsport ohne die Gefahr strafrechtlicher Sanktionen betrieben werden, weil nach dem StGB nur solche Taten zu bestrafen sind, die rechtswidrig und schuldhaft begangen werden.

Wer an einem Boxkampf teilnimmt, willigt in die Faustschläge seines Kontrahenten ein. Etwaige Körperverletzungen des einen Boxkämpfers sind aufgrund der erteilten Einwilligung des anderen Boxkämpfers nicht rechtswidrig. Von ihrem Leben abgesehen, das einem besonderen Schutz des Strafgesetzbuchs untersteht (vgl. § 216 StGB), kann eine Person über ihre Rechtsgüter (z.B. Sacheigentum, persönliche Ehre, Körper, Gesundheit) grundsätzlich frei disponieren. In Bezug auf Körperverletzungen ist jedoch § 228 StGB zu beachten. Demgemäß handelt derjenige, der eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.

Der Bundesgerichtshof zeigte mit seinem Beschluss vom 20.02.2013 – 1 StR 585/12 zwei rivalisierenden Jugendgangs, die sich zu einer tätlichen Auseinandersetzung verabredet hatten, die Grenzen dieser Vorschrift  auf.

Nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs verstößt die Einwilligung in eine Körperverletzung jedenfalls dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 228 StGB, wenn bei objektiver Betrachtung unter Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände die einwilligende Person durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird. „Findet die Tat unter Bedingungen statt, die den Grad der aus ihr hervorgehenden Gefährlichkeit für die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben des Verletzten begrenzen, führt dies regelmäßig dazu, die Körperverletzung als durch die erklärte Einwilligung gerechtfertigt anzunehmen“, befand das Gericht.

Hinsichtlich der zu beurteilenden tätlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Jugendgangs habe es an risikobegrenzenden Regeln und Instrumentarien zur Gewährleistung ihrer Einhaltung gefehlt, wie man diese bei einem sportlichen Wettkampf wohl vorfinden dürfte. Der Bundesgerichtshof betonte in diesem Zusammenhang auch die Unkontrollierbarkeit gruppendynamischer Prozesse. Da eine Einwilligung in die im Rahmen einer solchen Auseinandersetzung begangenen Körperverletzungen gegen die guten Sitten verstoße, war die Strafbarkeit der Taten aus Sicht des Gerichts zu bejahen.

Obgleich der Bundesgerichtshof nicht abschließend dazu Stellung nahm, könnte sich die Einwilligung in körperliche Auseinandersetzungen mit mehreren Personen trotz vorher getroffener Absprachen per se als sittenwidrig erweisen. So heißt es in dem Beschluss wörtlich: „Ob bei wechselseitigen Körperverletzungen zwischen rivalisierenden Gruppen bei vorhandenen Absprachen und Sicherungen zur Beschränkung des Gefährlichkeits- bzw. Gefährdungsgrades ein Verstoß der Taten gegen die guten Sitten nicht vorliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Er neigt aber wegen der abstrakt-generellen Eskalationsgefahr in derartigen Situationen dazu, die Frage zu verneinen, wenn und soweit eine Einhaltung des Verabredeten nicht ausreichend sicher gewährleistet werden kann.“

Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf tätliche Auseinandersetzungen rivalisierender Jugendgangs oder Fußballfans (Stichwort „Dritte Halbzeit“) beschränken wird auch sonstige „gruppendynamische Prozesse“ (z.B. Paintballturniere) davon erfasst werden.

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