Ein Angeklagter kann wegen einer Straftat verurteilt werden, wenn ihm die Begehung dieser Tat im Rahmen einer Hauptverhandlung nachgewiesen werden kann. Kann ein Tatnachweis nicht geführt werden, so ist der Angeklagte in einem rechtsstaatlichen Verfahren freizusprechen. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass von der Verteidigung zu Beginn der Hauptverhandlung ein sog. Prozesshindernis festgestellt wird und das Verfahren deshalb noch vor Eintritt in die Beweisaufnahme eingestellt werden muss. Ein Prozesshindernis stellt beispielsweise eine unwirksame Anklageerhebung dar.
Wie eine unwirksame Anklageerhebung in der Praxis aussehen kann, erlebte ich am letzten Freitag anlässlich eines Hauptverhandlungstermins vor einem Strafrichter in Süddeutschland. Meinem Mandanten warf die Staatsanwaltschaft eine vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil einer anderen Person vor.
Nach Abschluss der Verlesung der Anklageschrift durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft wurde von mir die Einstellung des Strafverfahrens beantragt, weil die Anklage nicht den gesetzlichen Voraussetzungen genügte. So enthielt die verlesene Anklageschrift weder eine exakte Uhrzeit, zu welcher die Tat von meinem Mandanten begangen worden sein soll, noch die genaue Tatörtlichkeit. Es lag deshalb ein Verstoß gegen die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift vor. Letztere soll dem Angeklagten insbesondere ein qualifiziertes Bestreiten im Wege einer Alibibehauptung ermöglichen. Weiß ein Angeklagter nicht, zu welcher Uhrzeit und an welchem Ort sich die ihm unterstellte Tat zugetragen haben soll, so ist er außer Stande darzulegen, dass er sich zur Tatzeit an einem ganz anderen Ort als dem Tatort aufgehalten hat. Des Weiteren fehlten in der Anklageschrift Angaben darüber, ob die Verletzung des Geschädigten von meinem Mandanten beabsichtigt gewesen war oder ob mein Mandant nicht vielmehr nur fahrlässig gehandelt hatte. Aufgrund dieser Mängel blieb der historische Lebenssachverhalt, den die Staatsanwaltschaft zum Gegenstand ihrer Anklage machte, weitgehend im Dunkeln. Der Umfang des Schuldvorwurfs war für den Angeklagten und seine Verteidigung somit nicht zu erkennen.
Das Ergebnis meines Einstellungsantrags war ein Rechtsgespräch aller Verfahrensbeteiligten. Da eine Neuaufrollung des Strafverfahrens weder der Staatsanwaltschaft noch dem Gericht opportun erschien, einigte man sich auf seine Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 150 Euro.