29. November 2012

Schuldfrage bei Verkehrsunfall

Als ich vor einigen Wochen auf der Bundesautobahn 3 von Würzburg nach Frankfurt am Main (dreispurig) unterwegs war, beobachtete ich ca. 100 Meter vor mir ein gefährliches Szenario: Ein auf der linken Fahrbahn befindlicher Pkw sowie ein auf derselben Höhe die rechte Fahrbahn entlang fahrendes Auto versuchten gleichzeitig auf die mittlere Fahrspur zu wechseln. In letzter Sekunde gelang es dem von rechts kommenden Fahrer durch eine schnelle Lenkbewegung nach rechts, einen Beinahe-Unfall mit dem von links kommenden Pkw zu verhindern.
Dennoch stellte ich mir die Frage, wie bei einem solchen Unfall wohl die Verteilung der Haftung der beteiligten Kraftfahrzeughalter ausfallen würde. Schließlich konnten beide Fahrer das jeweils andere Fahrzeug weder im Rück- noch im Seitenspiegel erkennen.
Aus Gerechtigkeitsgründen kann in einem solchen Fall deshalb nur eines gelten: Jeder Fahrzeughalter haftet für die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges – es muss zum Ansatz einer hälftigen Haftungsquotelung kommen. Eine Betriebsgefahr besteht grundsätzlich unabhängig von Verursachungsbeiträgen. Wie bei allen Verkehrsunfällen wäre allerdings auch hier den Umständen des Einzelfalles eine besondere Bedeutung beizumessen.

Über einen ähnlichen, aber weitaus weniger gefährlichen Sachverhalt hatte kürzlich das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden. In seinem Urteil vom 11.09.2012 – Az. I-9 U 32/12 erkannte das Gericht, dass beide Fahrzeugführer für einen Unfall verantwortlich sind, bei dem ein auf der Parkplatzfahrbahn rückwärtsfahrendes Fahrzeug mit einem aus einer Parkbox rückwärts ausfahrenden Fahrzeug kollidiert. So treffe beide Fahrzeugführer ein individueller und in etwa gleichwertiger Verursachungsbeitrag: einerseits in Gestalt des Rückwärtsfahrens auf der Parkplatzfahrbahn, andererseits durch das Rückwärtsausfahren aus der Parkbox ohne vorherigen Kontrollblick auf die Parkplatzfahrbahn. Auch dieses Urteil gab einen allgemeinen und gesetzgeberisch intendierten Trend wieder: Je weniger eindeutig die Verantwortung für einen Unfall auf nur einen Beteiligten geschoben werden kann, desto stärker gleichen sich die jeweiligen Haftungsanteile.

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