Spätestens seit dem Bekanntwerden des Haftbefehls, der vor wenigen Wochen gegen den Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Bayern München Ulrich „Uli“ Hoeneß erlassen wurde, weiß die interessierte Öffentlichkeit, dass die Anordnung von Untersuchungshaft nicht zwangsläufig mit Freiheitsentzug einhergeht. So berichtete die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 23.04.2013, dass der gegen Hoeneß erlassene Haftbefehl nach einer vorläufigen Festnahme gegen Auflagen wieder außer Vollzug gesetzt worden sei.
Die Anordnung von Untersuchungshaft hat keinen Sanktionscharakter, sondern dient der Sicherstellung des Strafverfahrens. Ihre Voraussetzungen werden von den §§ 112 ff. StPO geregelt. Demnach darf gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn dieser einer Straftat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht (§ 112 Abs. 1 S. 1 StPO). Außerdem darf die Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht außer Verhältnis stehen (§ 112 Abs. 1 S. 2 StPO).
Als Haftgründe nach § 112 Abs. 2 StPO anerkannt sind neben der Feststellung, dass sich der Beschuldigte auf der Flucht befindet oder im Verborgenen hält, die Fluchtgefahr und die Verdunkelungsgefahr (z.B. Einwirkung auf Zeugen). Insbesondere der Haftgrund der Fluchtgefahr wird regelmäßig dann angenommen, wenn der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen hätte und somit ein Anreiz besteht, sich dieser Haftstrafe durch Flucht zu entziehen. Ist der Beschuldigte besonders schwerer Straftaten (z.B. Mord und Totschlag) dringend tatverdächtig, so kann die Untersuchungshaft sogar dann angeordnet werden, wenn kein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO besteht (vgl. § 112 Abs. 3 StPO).
Die Strafprozessordnung verleiht dem Richter nach § 116 StPO die Möglichkeit, die angeordnete Untersuchungshaft in den Fällen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr außer Vollzug zu setzen. Ist der Haftbefehl lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt und können weniger einschneidende Maßnahmen den Zweck der Untersuchungshaft – also die Sicherstellung des Strafverfahrens – ebenso gut erfüllen, so kann der Richter den Beschuldigten unter bestimmten Bedingungen wieder aus der Haft entlassen. Als weniger einschneidende Maßnahmen kommen vor allem Meldeauflagen und die Hinterlegung einer Kaution in Betracht. Nämliches gilt für den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr: In dieser Konstellation kann der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden, indem das Gericht dem Beschuldigten beispielsweise ein Kontaktverbot gegenüber Zeugen oder anderen Beschuldigten auferlegt.
Obwohl das Gericht eigentlich gehalten ist, in jeder Phase des Strafverfahrens das Vorliegen der Haftgründe und die Möglichkeit einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls von Amts wegen zu prüfen, ist eine unverhältnismäßige Untersuchungshaft ebenso wenig ausgeschlossen wie der Erlass eines Haftbefehls ohne das Bestehen eines dringenden Tatverdachts. Es gehört zu den Pflichten eines Strafverteidigers, mithilfe der Instrumente der Haftbeschwerde und des Haftprüfungsantrags dem Gericht manchmal auf den Zahn zu fühlen.