Wer trägt eigentlich meine Anwaltskosten?

Eine mir in Erstberatungen, die wegen zivilrechtlicher Auseinandersetzungen geführt werden, häufig gestellte Frage lautet: „Muss die Gegenseite eigentlich meine Anwaltskosten übernehmen?“. Auf derartige Fragen erwidert der Jurist trocken mit der für ihn typischen und zunächst einmal wenig aussagekräftigen Antwort: „Das kommt darauf an.“

Im Grundsatz gilt, dass im Rahmen außergerichtlicher Rechtsstreitigkeiten jede Partei ihre Anwaltskosten selbst zu tragen hat – es sei denn, der Schuldner eines Anspruchs befindet sich im Zeitpunkt der Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Gläubiger bereits in Verzug. In diesem Fall können die Anwaltskosten als sog. Verzugsschaden geltend gemacht werden. Ab welchem Zeitpunkt sich ein Schuldner in Verzug befindet, regelt das Gesetz in § 286 BGB.

Demgemäß tritt der Verzug ein, wenn ein Schuldner trotz Einredefreiheit des Anspruchs und erfolgter Mahnung nicht leistet.

Auf eine Mahnung des Schuldners durch den Gläubiger kann verzichtet werden, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB), der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt (§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB), der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 4). Ferner findet sich in § 286 Abs. 3 BGB für Entgeltforderungen eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Erforderlichkeit einer Mahnung: Demnach kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet. Verbraucher müssen auf diese Rechtsfolge in der Rechnung bzw. Zahlungsaufstellung jedoch explizit hingewiesen werden.

Gerade bei vertraglichen Ansprüchen (z.B. Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises) wird dem Schuldner in der Rechnung zwar regelmäßig eine angemessene Zeit zur Leistung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB) mitgeteilt, der Gläubiger ist jedoch oft außer Stande, den Zugangsnachweis hinsichtlich dieser Rechnung zu erbringen, weil er diese nur per einfachem Brief an den Schuldner verschickt hat. Im Konfliktfall bestreitet der Schuldner, die Rechnung mit der fristgerechten Leistungsaufforderung überhaupt erhalten zu haben. Folglich befindet sich der Schuldner noch nicht (nachweislich) in Verzug und der Gläubiger bleibt auf den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung sitzen.

Diesem Dilemma kann vorgebeugt werden, indem der Gläubiger von Anfang an darauf achtet, den Zugang einer Rechnung – oder Mahnung – im Falle des Bestreitens durch den Schuldner beweisen zu können. Hierzu wird von mir folgende Vorgehensweise empfohlen, die auch auf ökonomischen Überlegungen beruht: Die Rechnung bzw. erste schriftliche Leistungsaufforderung kann aus Gründen der Kostenersparnis unter Setzung einer angemessenen Frist per einfachem Brief (oder auch E-Mail) verschickt werden. Leistet ein Schuldner nicht, so ist nach Ablauf der gesetzten Frist ein Mahnschreiben zu versenden. Die Zahl der Mahnschreiben ist gesetzlich nicht vorgegeben und sollte davon abhängig gemacht werden, in welcher Beziehung Schuldner und Gläubiger zueinander stehen. Liegt eine dauerhafte Geschäftsbeziehung vor, ist es sinnvoll, sich nicht auf nur eine Mahnung bzw. Zahlungserinnerung zu beschränken, bevor man den Gang zum Anwalt wagt.

Grundsätzlich genügt jedoch eine einzige Mahnung zur Begründung des Verzugseintritts. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Mahnung neben einer unbedingten Leistungsaufforderung eine Frist vorzugeben hat. Mit dem (fruchtlosen) Ablauf dieser Frist kann ein Rechtsanwalt beauftragt werden, dessen Kosten wegen des Verzugseintritts vom Schuldner zu tragen sind. Um den Zugang der Mahnung beim Schuldner nachweisen zu können, empfiehlt es sich aus Gläubigersicht, die (letzte) Mahnung per Einschreiben mit Rückschein zu verschicken. Alternativ dazu kann die Mahnung auch dem Schuldner im Beisein eines Zeugens persönlich übergeben werden.

Abgesehen von dieser eher aus demVertragsrecht bekannten Konstellation gibt es zwei bedeutsame Situationen, in denen auch ohne vorherige schriftliche Leistungsaufforderung oder Mahnung guten Gewissens ein Rechtsanwalt aufgesucht werden kann: Einerseits für die Regulierung erlittener Schäden,  die  bei einem Straßenverkehrsunfall entstanden sind, den ein anderer Verkehrsteilnehmer alleine verursacht hat, und andererseits für Abmahnungen im Wettbewerbs- (§ 12 Abs. 1 UWG) oder Urheberrecht (§ 97a UrhG).

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